Ein kurzer Bericht über den Vortrag „Details in App Design“, den Frank Rausch im Rahmen der Tech Open Air 2017 in Berlin gehalten hat.
Frank Rausch ist in der Welt des User Interface Design kein Unbekannter, er unterrichtet in Potsdam und Kopenhagen und seine App „V for Wikipedia“ wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
Schon früh in seinem Vortrag in englischer Sprache warnt Frank Rausch das Publikum, daß die wirklich wichtigen Details eigentlich die unsichtbaren, die „langweiligen“ Details sind, und nur wenige „Fancy-Details“ wie der Partikelemitter der im iOS Betriebssystem integriert ist, so deutlich auf den ersten Blick zu sehen sind.
Als Aufhänger und Rahmen zu allem was nun folgen soll, wählt Rausch folgendes Zitat:
„The details are not the details; they make the product“
(/Die Details sind nicht einfach nur Details; sie prägen das Produkt)Ray und Charles Eames
Der Beweis für diese These ist die App „V for Wikipedia“. Beispielhaft überzeugt die Leidenschaft für typografische Details, die an diesem Produkt zu sehen sind:
- Der Leerraum vor Doppelpunkten ist mikrotypografisch korrekt umgesetzt, und nicht einem Standardwert unterworfen.
- Alle Anführungszeichen werden selbstverständlich korrekt gesetzt und die falschen Zollzeichen aus Wikipedia via Skript automatisch ersetzt.
- Schlechte Umbrüche, die einzelne Wörter auf eine neue Zeile setzten, werden mit einem eigens entwickelten Code verhindert.
Dem Zuhörer wird deutlich das Rausch keinen Status quo will, daß er aktiv mit schlechten Konventionen bricht. Während er von den falschen Anführungszeichen in Wikipedia berichtet, zeigt er auch woher diese stammen. Im Zeitalter der Schreibmaschinen wurden typografische Grundregeln gebrochen, und der analogen Mechanik der Apparatur unterworfen. Ein kleines l war auch eine 1 (Eins), ein O eine 0 (Null), und die Sonderzeichen mussten auch multifunktional genutzt werden. Man darf ruhig öfter darauf hinweisen, daß das Layout der Computertastatur und die Verwendung der Zollzeichen auf die Ursprünge der Schreibmaschine zurückzuführen sind.
Neben typografischen Details hat dieser Vortrag aber auch noch andere Einfälle zu bieten:
- Anstatt starrer Linien werden Bezierkurven gezogen.
- Um die Lesbarkeit von Text auf Bildern zu verbessern, wird automatisch ein dominanter Farbton aus jedem Bild extrahiert und als Farbfläche halbtransparent aufgelegt.
- Um abgeschnittene Portraits zu vermeiden, nutzt die App die integrierte Gesichtserkennung mobiler Geräte um eine Schutzzone zu erstellen.
Das alles scheint so spielerisch und genial ausgeführt, daß sich viele wohl fragen: „Wie ist das zeitlich abbildbar“. Diese Frage beantwortet Rausch ohne das sie gestellt wurde: Für einen Settings-Dialog hat er erst 6 Monate nachgedacht und ihn dann in 2 Wochen implementiert. Rausch: „Ich gebe zu das ich verwöhnt bin.“
Frank Rausch hat am Ende noch ein Fazit für uns:
„App design needs authorship“ (App Design braucht Autorenschaft)
Eine mutige These in Zeiten in denen Teamplay, Kooperationen und Einflussnahme bis zum User so gerne diskutiert werden.
Nachwort
Der Applaus für die gezeigten Details ist zu recht groß, nur bleibt das Gefühl hier eine perfekte Designwelt gesehen zu haben, deren Verwirklichung in der beruflichen Realität eine immense Herausforderung darstellt. Rausch gesteht auf Nachfrage das auch er viele Kompromisse eingehen muss und das die App „V for Wikipedia“ auch ohne den üblichen Termindruck einer Agentur oder eines Auftraggebers entstanden ist.
Zu ergänzen wäre auch das Ray und Charles Eames ihre genialen Produkte natürlich nicht auf Grundlage von Details entworfen haben. Charles Eames beschreibt das Erkennen von Rahmenbedingungen als einen Schlüssel zur Lösung von Designproblemen. Bedingungen wie Preis, Größe, Stärke, Gleichgewicht, Oberfläche, Zeit, etc. sind somit die Grundlage für die Entwürfe und deren Details.
Von dem Enthusiasmus und der Begeisterung für Details sollte sich jeder Designer, egal mit welchem Schwerpunkt inspiriert fühlen. Eine feste Deadline muss kein Grund dafür sein die Details zu ignorieren, denn Produkte dürfen sich weiterentwickeln. Klappt es mit den perfekten Umbrüchen nicht gleich in der ersten Phase, dann werden diese eben im nächsten Schritt implementiert. Nachdem wir im digitalen Bereich mittlerweile auf agile Prozesse angewiesen sind, ist die Schrittweise Realisierung der Details sinnvoll.
Entscheidend bleibt das Erkennen der Rahmenbedingungen wie bei Charles Eames, das dem Vorgehen im „DesignThinking“ entspricht, die Details können dann aus einer einfachen App ein Designprodukt machen.